Schaut tiefer in Euch! Da ist so viel!

Ein Gespräch mit dem Astrologen Thomas Otto Schneider

Von Dr. Alexandra Hildebrandt

Herr Schneider, Sie raten Ihren Klienten die gewonnene Zeit durch die Corona-Krise für sich zu nutzen. Ich sag mal: „Carpe diem!“ Das hört sich vergleichsweise nach einer angenehmen Therapie an.

Das „Carpe Diem“ wurde von vielen bisher in der Regel vor allem auf das Äußere bezogen, auf die Nützlichkeit, die Ökonomie: Ich verdiene mein Geld, ich bestelle den Acker, und so weiter… Jetzt aber geht es mehr um unser Inneres, um unsere Identität, um unsere Seele, um das, was jeder ganz tief in sich findet. Es geht um eine schöpferische Pause. Die legt das Corona-Horoskop von Wuhan regelrecht nahe.

Ein berühmter Schauspiellehrer hat einmal zu seinen Schülern gesagt: „Schaut nicht so tief in euch. Da ist nichts!“

Ich sehe den Menschen anders. Deshalb würde ich den Satz umdrehen und sagen: „Schaut tiefer in euch. Da ist so viel!“ Ich vertraue auf den Menschen. Ich vertraue darauf, dass, wenn der Mensch wirklich zur Ruhe kommt, sich dann das Wirkliche – das Wahre – vom Bodensatz seiner Seele löst und an die Oberfläche tritt und zum Wohle aller und seiner Selbst zum Tragen kommt. Ich glaube daran, dass für viele durch diese ganz unvorhergesehene Entspannung nach einem oft jahre- oder jahrzehntelangen erbitterten existentiellen Kampf – oft direkt an der Industriefront – eine Ahnung auftaucht von dem Glück, der Reinheit und dem inneren Frieden des Lebens. Leben heißt ja eben nicht nur „Action!“

Will das Leben durch Corona gefeiert werden?

Tun die Leute ja schon. Sie singen, tanzen und spielen auf ihren Balkonen. Es ist gerade ein Moment, wo wir uns emotional aus dem Zwangskorsett der Mächtigen befreien können, damit unsere Seele triumphiert und tiefenentspannt aufatmen kann. Diese Zwangspause ist ein Segen. Es ist wie die Sonne, die hinter den Regenschleiern hervortritt und jeder kann etwas von dem beglückenden Gefühl, von der seltsamen Freude empfinden, mit welcher sich der vom Leistungswillen und vielen sonstigen beruflichen und sozialen Anforderungen entspannte Geist, dem Genuss des Lebens überlässt. Wie oft legt sich meine Katze gemütlich in eine Ecke und sieht sich die Welt von da aus einfach nur an. Das sollten wir jetzt auch öfter tun. Im Nichtstun bleibt nichts ungetan, sagt Laotse.

Sofern genügend Klopapier vorhanden ist…

Ein alter Bergsteiger hat mir mal erzählt, dass früher auf den Toiletten der Berghütten in den Alpen kein Klopapier lag, sondern Tannenzapfen, so á la „Nur die Harten kommen in den Garten!“. Also da fallen uns im Zweifelsfall schon noch Alternativen ein. Wasser ist ohnehin besser für die Anusreinigung. Meine Großmutter hatte noch ein Bidet im Badezimmer. Komisch, dass das aus unserer Kultur weitgehend verschwunden ist.

Noch ist unklar, wie sich das Corona-Virus entwickelt. Sie sprechen aber von einem Covid-19-Spuk, der sich wieder zum Jahresende verflüchtigt.

Wahrscheinlich schon vorher. Nach neuesten Erkenntnissen ist das aktuelle Coronavirus keines, das sich im Menschen sonderlich wohl fühlt, wie z.B. in Fledermäusen. Das bestätigt meine Deutung, dass sich das Ganze auch wieder auflöst, weil der Mensch offenbar nur ein unzureichender Nebenwirt für Corona ist. Ein Virus, das die Menschheit ernsthaft in ihrer Existenz bedroht ist das Coronavirus nicht.

Ausserdem stehen ja, wie Sie sagten, auch die Formen der Gemeinschaft durch die Corona-Krise infrage. Was genau meinen Sie damit?

Ich meine damit die Maßgaben, unter welchen wir glauben, dass Gemeinschaft funktioniert. Das können wir jetzt aber auch mal gründlich überdenken und zwar im Detail. Ein Beispiel aus meiner Kindheit. In der Familie meiner Mutter war es üblich, dass sich alle zur Begrüßung und zur Verabschiedung auf den Mund küssen. So musste ich als 5-jähriger z.B. meine 80-jährige Großtante Kläre auf den Mund küssen, wovor ich mich damals ziemlich geekelt habe. Solcherlei Gemeinschaftsrituale finden wir auch heute zuhauf in Familien- oder Freundes- und sogar Arbeitskreisen, z.B. das Bussibussi oder das Feierabendbier. Und da gibt es viele, denen das ein oder andere eigentlich nicht wirklich passt, sie es aber aus Zugehörigkeitsgründen mitmachen. Überhaupt ist die Sehnsucht nach Zugehörigkeit oft ein großes Problem. Dann nämlich, wenn einem die falsche Zugehörigkeit Bestätigung gibt und man es sich deshalb dort auch noch fatalerweise gemütlich macht.

Wir meinen Sie das? Geben Sie doch mal ein Beispiel.

Angenommen Sie können singen und Sie nehmen an DSDS teil. Dieter Bohlen, selbst schon ein falscher Fuffziger, zumindest Mr. Oberfläche in Person, findet Sie megageil und sie werden zum sogenannten Superstar. Eventuell können sie vielleicht singen – das können echt viele – aber Ihre eigentliche Berufung liegt darin, sich vielleicht für andere Menschen aufzuopfern, als Notfallärztin, oder was weiss ich. Dann hält Sie diese dusselige DSDS-Karriere nur von ihrer eigentlichen Berufung ab. Möglicherweise jahrelang. Und das, obwohl sie dort viel Bestätigung erhalten. Schauen Sie, ich kann ganz gut Fahrrad fahren, aber deshalb muss ich nicht unbedingt an der Tour de France teilnehmen. Dann befinde ich mich womöglich mit Volldampf auf einem absoluten Nebengleis meines Lebens, während der Hauptgleis verkümmert. Es macht also sehr viel Sinn sich weitgehend von Bestätigungen unabhängig zu machen.

Aber gehen denn nicht auch viele Wege auch von Irrwegen ab?

Ja, so spricht der Weise und damit tröste ich auch oft meine Klient*innen: „Es ist nie zu spät für ein ordentliches Früh“. (Kölnische Biermarke, Anm. der Red.) Also gerade jetzt heisst es: Raus aus den falschen Zugehörigkeitskreisen! Egal ob Familie, Freunde oder Arbeit. Wer jetzt die Coronakrise als seelisches Großreinemachen versteht, sich emotional und konkret unabhängiger macht, wer rebellischer wird, der hat den Schuss von Corona gehört und – ob jung oder alt – der wird nicht sterben.

Das glauben Sie?

Da bin ich mir sicher.

Herr Schneider, Danke für das Gespräch.