Jeder Mensch ist ein Stern

Interview mit Thomas Otto Schneider (Foto: Rozsa Szalontay)

Von Dr. Alexandra Hildebrandt

Wo lässt sich sonst noch der Einfluss der Astrologie auf den Alltag feststellen?

Es gibt zum Beispiel mittlerweile eine Vielzahl von Anbietern, die Produkte bei Vollmond herstellen und die sagen, dass dies zu einer besseren Qualität führt als bei Lebensmitteln, die unabhängig vom Mondgeschehen hergestellt werden. Auf dem Markt sind mittlerweile neben Wasser auch Vollmond-Käse, Vollmond-Brot, Vollmond-Bier und Vollmond-Kaffee erhältlich. Ich kann mir schon vorstellen, dass, wenn man Kaffeebohnen bei bestimmten Vollmondständen röstet, ein koffeinreduzierter Kaffee ebenso belebend wirken kann, wie ein Kaffee mit der vollen Dosis Koffein.

Also Vollmond ist nicht gleich Vollmond? Einige Frisörgeschäfte haben ja auch Mondtarife und schneiden an bestimmten Tagen die Haare. Was ist da dran? Welche Beispiele fallen Ihnen noch ein?

Ein Waagevollmond hat eine andere Qualität als ein Skorpion-Vollmond. Nicht in jeder Vollmondnacht können wir schlecht schlafen. Aber das sind so kleine Erfahrungen am Rande. Das mit den Haaren kann ich bestätigen. Wenn der Mond im Widder steht, neigt der Frisör dazu die Haare kürzer zu schneiden als bestellt. Also Obacht! Haarfarbe, heißt’s, hält beim Fischemond nicht so gut, weil die Fische in der Astrologie für das Echte stehen und Falsches nur schwer ertragen. Ich hatte sogar mal einen hochsensiblen Fische-Frisör, der behauptete, er könne an der Haarstruktur seiner schwangeren Kundinnen fühlen, welches Geschlecht das Kind hat. Man hört so einiges als Astrologe. Und natürlich ist da noch das ganze astrologische Erfahrungswissen aus der Gärtnerei und der Landwirtschaft. Man müsste eigentlich fragen: Welcher alltägliche Lebensbereich korrespondiert nicht mit der Astrologie? Antwort: Keiner! Alles Leben auf unserem Planeten ist den kosmischen Rhythmen unterworfen.

Wie wird der Zufall in der Astrologie gesehen?

Wenn wir in der Astrologie davon ausgehen, dass alles einen Sinn hat und – spirituell gesprochen – alles einem göttlichen Willen entspringt, dann sind auch Vorkommnisse, die uns wie Zufälle erscheinen, keine Zufälle, sondern Ausdruck dieses wie auch immer gearteten höheren Plans, den wir nur noch nicht verstehen können. Das Horoskop auf den Moment eines Zufalls kann dabei helfen den Sinn von solchen Fingerzeigen zu entschlüsseln. Die vielleicht schönste Mutmaßung über den Zufall stammt von dem französischen Erzähler und Lyriker Théophile Gautier. Er sagte: „Zufall ist vielleicht das Pseudonym Gottes, wenn er nicht selbst unterschreiben will.“

Was war denn der größte Zufall in Ihrem Leben?

Oh, da gäbe es einige. Aber der größte? Ich erzähle einmal einen kleinen aber sehr ungewöhnlichen Zufall: Vor vier haben wir uns ein Haustier zugelegt, eine Maine-Coon-Katze. Aufgrund der Kleinanzeige eines Züchters rief ich dort an, sprach dem Mann auf den Anrufbeantworter und bat um Rückruf. Das war an einem Samstagmittag. Doch er rief nicht zurück. Am selben Abend war ich zu einer Geburtstagsfeier eingeladen, zu der ich mit dem Auto fahren wollte, aber der Wagen blieb mit einem Schaden mitten in Köln liegen. Beim ADAC sagte man mir, das könne lange dauern, weil Samstagabend sei. Doch schon nach zwanzig Minuten klingelte das Handy und ich rief erfreut: „Ah, der ADAC!“ Und der Mann am Telefon antwortete: „Ja, ich bin vom ADAC, aber ich rufe wegen den Kitten an.“ Was war geschehen?

Mega-Zufall mit dem ADAC: Katze Miranda

Der Züchter war gleichzeitig auch der ADAC-Mann, der mich abschleppen sollte! Unglaublich, oder? Der hatte gerade den Auftrag bekommen das liegen gebliebene Auto abzuschleppen und wollte nur schnell vorher noch den Kätzcheninteressenten anrufen – was ich in Personalunion war. Also holte er mich ab, wir fuhren mit dem ADAC-Wagen mein Auto zur Werkstatt und dann in seine Wohnung, in der die Jungen der Katzenmutter, namens Luna, herumsprangen. Eines davon ist unsere Miranda geworden, benannt nach einem der Uranusmonde. Das war schon ein Mega-Zufall, den ich ehrlich gesagt noch gar nicht astrologisch aufgearbeitet habe. Manchmal reicht es aber auch aus, sich durch so einen Zufall einfach nur dem Lebensgenuss hinzugeben. Die göttliche Tür geht kurz einen Spalt auf, man wird verzaubernd geblendet und darf sich seines Lebens freuen. Das ist auch ein wichtiger Aspekt bei der intensiven Beschäftigung mit der Astrologie: Bei aller Freude an den Sternen darf man das aktive Erleben nicht vernachlässigen.

Mich interessiert in dem Zusammenhang auch Albert Einstein, der sehr Kluges, auch zum Zufall, gesagt hat und der so wunderbar unkonventionell war. Wie stand er zur Astrologie?

Einstein war nicht nur Physiker sondern auch Metaphysiker. Von ihm stammt das Wort: „Das schönste und tiefste Gefühl, das wir erfahren können, ist die Erfahrung des Mystischen. Sie ist die Quelle aller wahren Wissenschaft“. In seinem interessanten Buch „Aus meinen späten Jahren“ kann man sehr viel Erhellendes dazu erfahren. Dass er sich auch mit der Astrologie befasst hat, ist zu vermuten, aber nicht belegt. Ich zumindest habe ihn astrologisch ausführlich studiert. Er ist eine Jahrtausendpersönlichkeit.

Was können Sie zum Thema Zukunftsprognose sagen?

Mit der Zukunftsprognose ist das so eine Sache in der Astrologie, zumal ja dieser Aspekt genau der ist, der die Astrologie in der Moderne in Verruf gebracht hat. Ich sage nicht, das die Prognose theoretisch nicht möglich ist. Ich betone: theoretisch. Es gibt in der Astrologie sogar zahlreiche Prognosetechniken, doch kenne ich keinen Astrologen in der Geschichte der Astrologie, der diese Techniken derart beherrscht hätte, um Zukunftsereignisse treffsicher konkret voraus zu sagen. Vielleicht bräuchte es dazu die Erfahrung eines dreimal so langen Lebens und einem sehr viel weiter entwickelten Geist, um aus den kosmischen Zeichen und den empirischen Beobachtungen die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Astrologen, die sich heutzutage noch auf das Glatteis der konkreten Prognose begeben sind meist keine wirklichen Astrologen, sondern fragwürdige Unterhaltungskünstler, die sich mit dem Anschein oder dem Dekor der Astrologie schmücken, um einen Euro zu machen. Dabei kann es auch schon mal zu Voraussagetreffern kommen. Aber da sage ich nur: Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn.

Mensch und Sterne: Mittelalterlicher Holzschnitt, modern koloriert

Sprechen Sie nicht selbst von Siebenjahresphasen?

Davon ist auch schon in der Bibel die Rede: die sieben fetten und sieben mageren Jahren. Das sind zeitqualitative Bezeichnungen. Aus der Erfahrung der Astrologie vollzieht sich das menschliche Leben in Siebenjahresrhythmen: 7, 14, 21, 28, 35, 42 und so weiter. Wir alle befinden uns in unserem Leben in einer dieser Phasen und mit Hilfe eines individuellen Horoskops lassen sich diese Phasen definieren und beschreiben. Das kann im Einzelfall zu einem tieferen Verständnis für Lebensereignisse führen, die in der jeweiligen Phase stattfinden oder stattgefunden haben. Und das ist im Zweifelsfalle viel mehr Wert, als wenn mir ein Astrologe voraussagt, dass mir in drei Wochen ein Hund ins Bein beisst.

Können Sie noch ein paar Informationen zum Thema Handlesen geben? Welche Beziehung besteht zur Astrologie? Und was lässt sich an der Hand erkennen?

Ich bin kein Experte auf diesem Gebiet. Ich kann nur sagen, dass ich einmal eine großartige Erfahrung gemacht habe. Eine Handleserin aus Sri Lanka, die übrigens viele Jahre lang Assistentin von Mutter Theresa in Kalkutta war. Sie war halb buddhistisch und halb christlich orientiert und sie konnte aus meiner Hand alles heraus lesen, was ich auch in meinem Horoskop erkennen kann. Und das Erschreckende war: exakt mit den selben Worten wie aus dem Astrologielehrbuch. So konnte ich zum ersten Mal wirklich erfahren, dass die Handdeutung wirklich funktioniert. Der Kosmos liegt also auch in unserer Hand. Wer sich näher damit beschäftigen möchte, dem empfehle ich die Autorin Ursula von Mangoldt, aber nur ihre frühen Schriften zur Chirologie. Die muss man sich allerdings dann antiquarisch besorgen.

Warum braucht Astrologie nicht nur Zahlen, sondern auch Geschichten?

Geschichten sind etwas Urmenschliches. Irgendwann fand der Mensch schon in sehr frühen Zeiten Ruhe am Lagerfeuer und hat begonnen, auch um sich die Zeit zu vertreiben, Geschichten zu erzählen. Die größte und bedeutendste Legende in der Astrologie ist die Entwicklungsgeschichte des Tierkreises, die zwölf Stadien umfasst. Wobei es sich außer bei den Zwillingen, der Jungfrau, der Waage und dem Wassermann um Tierbilder handelt. Der Schütze hat eine Sonderstellung, weil er halb Mensch und halb Pferd ist. Er ist der Vermittler zwischen den Welten. Der Tierkreis ist ein geschlossener Entwicklungskreis, der die Geschichte vom Werden des Menschen als Individuum und auch als Menschheit erzählt. Dabei gibt es einen Entwicklungsstrang vom Widder zu den Fischen hin, als auch einen Entwicklungsweg der von den Fischen rückläufig zum Widder führt. Diese rückläufige Interpretation ist im sogenannten Weg der Aphrodite dargelegt.

Gibt es in der Astrologie eigentlich auch Beziehungen zum Storytelling, z. B. der Heldenreise?

Ähnlich zur Heldenreise gibt es in der Astrologie die Auffassung, dass Menschen mit verschiedenen Aufgaben auf die Welt kommen, die sich im Horoskop in Konstellationen widerspiegeln. Diese Aufgaben kann man auch, analog zum Geschehen, das wir aus Märchen kennen, als Verzauberungen verstehen. Im Laufe des Lebens können wir uns dann von diesen Verzauberungen befreien, indem wir sie verwandeln. Wenn uns dies gelingt, entwickeln wir uns dabei zu dem Menschen hin, der in uns angelegt ist.

Mich beschäftigt zur Zeit der Internet- und Raumfahrt- Unternehmer Elon Musk. Ich habe seine Biographie gelesen. Was ist denn so krebstypisch an ihm? Und warum beklagen die Deutschen, dass sie keinen wie ihn in ihren Reihen haben?

Ach, tun die Deutschen das? Na ja, Elon Musk ist mit seinem Wassermann-Aszendent schon ein Sonderfall, ein extremer Individualist und innovativer Geist. Ähnlich wie Lionel Messi im Fußball, oder Leonardo da Vinci in der Kunst. Solche Leute sind mehr als universelle Persönlichkeiten zu sehen und gehören uns gewissermaßen allen und nicht nur ihrem Herkunftsland. Was ihn so krebstypisch macht? Nun, abseits von seinen beruflichen Erfolgen sind das vor allem seine familiären Verstrickungen. Fünf Söhne in erster Ehe muss man erst mal haben! Und danach dieses Hin und Her mit seiner zweiten Ehefrau: Hochzeit, Scheidung, Wiederverheiratung, Wiederscheidung… Ich weiß gar nicht, ob das die konservative Mitte Deutschlands so erfreut hätte. Dass er aber zu einem der reichsten US-Amerikaner geworden ist, überstrahlt für die Mehrheit wohl alles.

Gibt es vielleicht auch astrologische Konstellationen, bei denen man von vorne herein sagen könnte: wenn von außen nicht viel dazwischen kommt, ein „geborener“ Glückspilz?

Ja, genau so, wie es Menschen gibt, die nah am Wasser gebaut haben, haben einige näher an den Quellen des Glücks gebaut. In der antiken und mittelalterlichen Astrologie wurde dafür eigens ein sogenannter Glückspunkt berechnet, der sich aus dem Aszendenten und dem Stand von Sonne und Mond ergab. In der modernen Astrologie spielt dieser Punkt keine große Rolle mehr. Heute sind im individuellen Horoskop eher die Jupiter-Aspekte von Bedeutung, weil sie etwas darüber aussagen, welchen Zugang der Einzelne zum Thema Glück hat. Es sei aber auch gleich mal dazu gesagt, dass Glück nicht zwingend mit Erfüllung gleich zu setzen sind. Glück kann so profan sein. Erfüllung nie.

Was sagen Sie aus astrologischer Sicht zu Wiederholungen im Leben, die auf bestimmte Ereignisse verweisen? 1988 hörte ich im Radio vor einer wirklich entscheidenden Prüfung den Song von den Bee Gees „You win again“. Ergebnis: Ich hatte es als eine der Besten geschafft. Komisch ist, wann immer ich bis heute im Radio dieses Lied höre, steht eine Situation bevor, die besonders wichtig ist. Und immer geht alles gut aus. Das betrifft vor allem Berufliches. Was hat das mit den Sternen zu tun?

Das Phänomen, das Sie ansprechen ist einerseits das Omen, bei dem sich in einem Vorzeichen ein zukünftiges Ereignis ankündigt. Wenn wir geboren werden steht die Sonne im Horoskop auf einem ganz bestimmten Grad des Tierkreises. Nach genau einem Jahr, also immer zum Geburtstag, kehrt die Sonne wieder genau zu diesem Punkt zurück. Die rhythmische Wiederholung ist in der Astrologie, da es alle Planetenumläufe im Tierkreis betrifft, ein Schlüsselbegriff. Die Uranusrückkehr mag man in einem Menschenleben mit 84 Jahren noch erleben, die Neptunrückkehr mit 164 Jahren nicht mehr – jedenfalls noch nicht. Man könnte spekulieren, dass der Mensch erst dann 164 Jahre alt werden kann, wenn er aufgrund seiner seelisch-geistigen Reife so weit ist, dass er dieser Rückkehr inhaltlich gewachsen ist. Wenn man so will, hat die gesamte Astrologie omenhaften Charakter. Vor allem, weil es zwischen einem Horoskop und den darin gespeicherten Inhalten und den tatsächlichen Ereignissen, die dann in einem Leben geschehen, keinen kausalen Zusammenhang gibt. Das war bei Ihrem Omen mit „You win again“ auch so. Sie waren ja, kausal gesehen, bei ihrer Prüfung erfolgreich, weil Sie gut gelernt hatten und nicht, weil Sie dieses Lied gehört haben. Dieser nicht-kausale Zusammenhang erscheint dann als das Zauberhafte, das, was Ihnen ein gutes Gefühl gegeben hat. Ein Zeichen, ein Fingerzeig, wie aus einer anderen Welt. Mit anderen Worten: Wir sind ja nicht so oder so, weil wir dieses oder jenes Sternzeichen haben. Das wäre kausal. Sondern wir sind so, wie wir sind und zeitgleich haben wir auch noch z. B. einen Schütze- Aszendenten, der Aufschlussreiches besagt. Die uns als sinnvoll erscheinende Synchronizität ist die geheimnisvolle Verknüpfung.

Womit beschäftigen Sie sich in diesen Corona-Zeiten?

Was Corona der Welt sagen wollte, habe ich verstanden und in unseren ersten Interviews habe ich mich dazu schon hinlänglich geäußert. Aus Corona kann man auch nicht endlos viel lernen. Wenn man was verstanden hat, dann ist es doch gut. Und dann kann’s ja weiter gehen. Ansonsten forsche und experimentiere ich viel. Horoskope von Zwillingsgeburten sind eine besondere Herausforderung. Vor kurzem habe ich dazu neue Daten aus erster Hand bekommen. Oder: Ich schaue mir Sonntagabends den Tatort im Fernsehen an – aber mit dem Ausstrahlungshoroskop – und versuche den Täter astrologisch zu ermitteln, noch bevor er gefangen wird. Ein nettes kleines Spiel und immer wieder auch lehrreich.

Was ist Ihr Lebensthema?

Ausdruck der Bestimmung. Wissen Sie: In früheren Zeiten war es üblich zu denken, dass Liebende für einander bestimmt sind oder zumindest sein können. Dieser Ansatz „für etwas oder jemanden bestimmt zu sein“ ist völlig aus dem gesellschaftlichen Diskurs heraus geraten. Auf Online-Portalen wie „Parship“ ist von Bestimmung keine Rede mehr. Da geht es nur um Passformen: Beruf, Alter, Nichtraucher oder Bartträger. Oder: Bei der Berufsberatung am Arbeitsamt werden Jugendliche nicht auf ihre Bestimmung hin befragt, sondern man schaut in welche zukunftsträchtigen Jobs sie hinein gepfercht werden können. Die Industrie gibt mit ihren Erfordernissen den Takt an. Dabei spricht doch das Wort Beruf ursprünglich von der Berufung. Heute ist der Beruf in seiner Wertigkeit zum reinen Erwerb herabgestuft. Mein Thema ist also die Bestimmung des Menschen. Ich fühle mich dazu berufen, Menschen dabei zu verhelfen ihre eigene Bestimmung zu entdecken und ihr Leben danach auszurichten. Das ist für mich die sinnvollste Tätigkeit. Die Astrologie ist dabei ein geniales Instrument, um diese Bestimmung zu erkennen und zu beschreiben.

Was soll denn mal auf Ihrem Grabstein stehen?

Hm. Muss ich nachdenken. – – – Mir sagt ein schöner Satz zu, den ich mal im Traum gehört habe: „Jeder Mensch ist ein Stern.“ Jenseits der Zeitmauer braucht es jedenfalls keine Daten mehr.

Danke für das Gespräch, Herr Schneider.