Astrologie ist eine Droge

Foto: Rozsa Szalontai

Interview mit Thomas Otto Schneider                 

Von Dr. Alexandra Hildebrandt

Was sagen Sie zur medialen Aufbereitung der Astrologie?

Tageszeitungshoroskope sind zum reinen Amüsement geschrieben und haben soviel mit der wahren Astrologie zu tun, wie ein Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt mit dem historischen Jesus. Die mediale Aufbereitung der Astrologie ist katastrophal. Die eigentliche Astrologie findet im Prinzip nur in Fachbüchern oder Vorträgen – also under cover – statt und fristet somit ein gesellschaftliches Schattendasein. Dabei gäbe es relevanten Stoff genug, sodass jeden Tag darüber in den Tagesthemen berichtet werden könnte.

Welche Medien gehen denn seriös mit der Astrologie um? Woran kann sich der Interessierte orientieren?

Das Fernsehen tut sich genauso schwer mit der gelehrten Astrologie wie das Radio. Der private Esoteriksender AstroTV ist ein besonderes Übel. Die hier betriebenen Call-in-Shows sind eine Farce. Da beuten Unwissende noch Unwissendere aus und knöpfen ihnen hohe Telefongebühren ab. Bei den Zeitschriften kann man zumindest die „Brigitte“ hervorheben. Die leisten sich seit über 20 Jahren eine professionelle Astrologin, die was auf dem Kasten zu haben scheint. Es ist also gar nicht so leicht sich zu orientieren. Für alle, die zur Sicherheit eine Institution brauchen, haben sich Vereinigungen wie der Deutsche Astrologenverband, der Schweizer Astrologen-Bund oder der Österreichische Astrologen-Verband gegründet. Die sind natürlich staatlich keinesfalls anerkannt. Immerhin haben die ein gemeinsames Thesenpapier auf die Beine aufgestellt, an dem man sich fürs erste orientieren kann. Ich bin allerdings in keinem dieser Verbände Mitglied, weil ich kein Vereinsmeier bin.

Was halten Sie von dem ehemaligen Bildzeitungs-Astrologen Winfried Noé?

Boulevard-Astrologen wie Noé sind für wirkliche Astrologen ein Ärgernis. Sogenannte Star-Astrologen wie er sind an dem unterirdischen Image der Astrologie in der Gesellschaft mitschuld. Insbesondere, weil sich Noé durch spektakuläre Zukunftsprognosen zu profilieren versucht hat. Er hat der Versuchung sich als eine Art magischer Prophet zu positionieren nicht widerstanden und dabei versäumt die Astrologie als das zu vermitteln, was sie wirklich ist. Es gibt leider keinen gesetzlichen Schutz vor solchen Fehlleistungen. Wenn es ein Astrologie-Gefängnis gäbe, würden dort eine Reihe vermeintlicher Starastrologen einsitzen. Die Causa Noé ist um so ärgerlicher, weil er bei dem gleichen Lehrer studiert hat wie ich, bei Wolfgang Döbereiner in München. Eine Schande! Dort gewesen und so wenig verstanden zu haben, das ist schon ein Kunststück für sich. Aber gut, die Öffentlichkeit lässt Gestalten wie den Noé zu. Das ist schwer zu ändern.

Aus den 1980er Jahren ist mir noch Elisabeth Tessier ein Begriff. Ist sie für Ihre Arbeit von Bedeutung?

Die Astrologin Elisabeth Tessier ist in den Achtzigern durch die „Astro Show“ im Fernsehen bekannt geworden. Diese Samstagabend-Show für die ganze Familie war jedenfalls eine Farce. Jede Sendung stand unter einem anderen Sternzeichen-Motto. Die ganze Aufmachung war sehr kitschig. Prominente Gäste wie Thomas Gottschalk, Emil Steinberger und Robert Lembke sollten die Sendung aufpeppen. Hat nicht geklappt.

SPIEGEL-Titel 1981: Modedroge Astrologie

Übrigens hat mich Robert Lembke Mitte der Achtziger mal angerufen, um mir die Erstausstrahlungsdaten der legendären TV-Show „Was bin ich?“ mitzuteilen. Auch solche Daten eignen sich für aussagekräftige Horoskope. Für die „Astro Show“ hatte der bekannte Jazz-Musiker Klaus Doldinger die Erkennungsmelodie geschaffen, der ja auch die Tatort-Melodie komponiert hatte. Doch anders als der Tatort war die „Astro Show“ ein großer Flop und seither ist die Astrologie im Fernsehen erledigt. Insofern hat Frau Tessier eher als Negativ-Beispiel getaugt. Dennoch glaube ich, dass die „Mode-Droge Astrologie“ dabei ist zurück zu kehren. Astrologie ist tatsächlich eine Droge. Aber in meinen Augen eine sehr heilsame. Ein heilsames Serum. Zumindest setze ich sie so ein.

Was bieten Sie denn in Ihrer astrologischen Praxis genau an?

Der überwiegende Teil meiner astrologischen Arbeit besteht aus Horoskopdeutungen und damit verbundenen Beratungsgespräche. Da kommen Menschen oft in großer Not, die schon bei Freunden, Psychologen oder auch schon beim Pfarrer waren und immer noch nicht weiter wissen. Hier bringt ein astrologisches Gespräch manchmal die entscheidende Wende. Es kommen aber auch Klienten, die von mir über einen längeren Zeitraum begleitet werden wollen, wie mein treuester Klient, ein langjähriger Unternehmer und Führungskräfte-Coach, der die Qualität meiner Lebensberatung zu schätzen weiß. Der glaubt übrigens nicht per se an die Astrologie, weil er sie nicht beurteilen kann. Wohl aber weiß er nach über zwanzig Jahren Beratung: Die Methode, mit der ich arbeite, ist sehr nützlich für seine eigene Entscheidungsfindung in schwierigen Situationen. Die Themen und Analogien, mit denen ich ihn konfrontiere, findet er kaum in anderen Schulen oder wissenschaftlichen Richtungen. Außerdem gibt’s bei mir ja noch das „Astro Dinner“.

Was ist das?

Das ist eine schöne informelle Gelegenheit bei gutem Essen und einem Glas Wein eine erste Tuchfühlung zur wahren Astrologie aufzunehmen. Alle Gäste haben mir vorab die Daten ihrer Horoskope mitgeteilt und können im lockeren Gespräch erste Fragen stellen. Bisher gab es noch keinen Abend, an dem der Tisch nicht geschwebt hat.

Was muss man von Menschen wissen, um ein astrologisches Profil zu erstellen? Worauf kommt es an?

Ein Horoskop ist eine Raumzeit-Gleichung und benötigt als Grundlage den Geburtstag, den Geburtsort und die Geburtszeit. Da man Tag und Ort in der Regel weiß, kommt es meist darauf an auch die möglichst genaue Geburtszeit zu ermitteln. Die steht entweder in der Geburtsurkunde oder lässt sich zumindest in Deutschland beim zuständigen Standesamt des Geburtsortes erfragen. Hier werden die Geburtsurkunden aufbewahrt und die Beamten sind verpflichtet Ihnen die Geburtszeit mitzuteilen. Seit über hundert Jahren ist es übrigens Gesetz, dass die Geburtszeit festgehalten wird.

Moderne Horoskopdarstellung: Einklang und Kosmos

Und was weiß man, wenn man „das“ weiß?

Dann hat man zunächst einmal alle Daten, die es braucht, um ein Horoskop zu berechnen. So ein Geburtsbild bildet den Himmel ab, eben zum Zeitpunkt der Geburt. Sozusagen ein Screenshot der aktuell herrschenden Himmelssituation. Abgebildet werden in solch einer zweidimensionalen Darstellung die aus astrologischer Erfahrung wichtigsten Himmelskörper unseres Sonnensystems. Das besondere daran ist: Mit dieser Momentaufnahme wird der individuelle Mensch im Räderwerk des Weltenlaufs verortet. Er erhält einen konkreten Platz in der Geschichte des Kosmos. Es ist ein Schlüsselmoment, von dem aus sich das Leben entwickelt. Das Horoskop, dessen äußeren Rahmen der Tierkreis bildet, ist eine Art Komposition für das zu erwartende Leben. Der Tierkreis wird übrigens auch „Urkunde der Erfahrung“ genannt.

Könnten Sie ein paar Hinweise geben, welche Sternzeichen zusammen passen? Man hört z. B. immer wieder, dass Fische, Skorpion und Krebs gut harmonieren…

Da das Sternzeichen in erster Linie Aussagen über das Verhalten eines Menschen zulässt, stellt sich beim Sternzeichenvergleich immer die Frage: Wie gut passen Person A und Person B vom Verhalten her zusammen? Dabei gibt es eine goldene Regel: Immer die Zeichen, die durch ein Zeichen voneinander getrennt sind, stellen die beste Verhaltenskombination dar, also ein Zeichen und das jeweils übernächste. Beispielsweise sind das für den Zwilling der Widder und der Löwe. Auch zwischen den Sternzeichen aus ein und dem selben Element, wie in Ihrem Beispiel, Krebs, Skorpion und Fische, herrscht ein gewisses Einvernehmen. In jedem Fall werde ich gerade beim Thema Partnerschaft oft gefragt, welche Sternzeichen am besten zusammen passen. Bei der Partnerschaft gibt es da noch eine Besonderheit: Im Sinne der Ergänzung – und das ist ja in der Partnerschaft das bestimmende Prinzip – sind das vor allem die Zeichen, die sich im Tierkreis direkt gegenüber stehen. Wie Krebs und Steinbock, Löwe und Wassermann oder Jungfrau und Fische. Diese Zeichen sind übrigens auch für eine produktive Auseinandersetzung ideal. Die Frage aber ist doch in der heutigen Zeit: Erträgt der Mensch noch den, der ihn ergänzt?

Wie meinen Sie das?

Eines der ganz großen Probleme bei der heutigen Partnerwahl ist meiner Ansicht nach ein ausgewachsener Hang zum Narzissmus. Wir gucken uns einen Kandidaten aus, der uns ähnlich ist, in dem wir uns spiegeln können. Das gibt vielleicht im ersten Moment Sicherheit, führt aber auf lange Sicht nicht zu einer erfüllenden Ergänzung. Im Gegenteil: Früher oder später trampelt man sich auf den Füßen herum oder geht sich nur noch auf die Nerven. Viele Paare sehen sich auch schon äußerlich verdächtig ähnlich. Ein klassisches Beispiel aus der Promiwelt waren Mick und Bianca Jagger. Wer also eine wirklich erfüllte Partnerschaft wünscht, der darf sich fragen: Was fehlt mir wirklich? Oder etwas edler ausgedrückt: Wer ergänzt mich zur Vollständigkeit hin? Ich persönlich mache das nicht so sehr nur an dem Sternzeichen fest, sondern vergleiche sämtliche Aspekte eines Horoskops, angefangen beim Aszendent. Der Königsweg bei der Analyse einer Partnerschaft stellt für mich aber immer noch das Begegnungshoroskop dar. Wer noch den Moment des Kennenlernens weiß, also Uhrzeit und Tag, also die Geburtsstunde der Partnerschaft, der erfährt sozusagen die ganze Wahrheit. Der erhält beispielsweise eine Antwort auf die Frage: Worum geht es hier eigentlich? Es gibt zum Beispiel Ehen, da geht es vom ersten Tag an um die Scheidung. Ich darf das fröhlich so sagen, denn ich habe es selbst schon mal so erlebt. Ich hatte mir, wie es so schön heißt, „eine Millionärin geangelt“. Für viele ein Traum. Für mich ein Alptraum. Zu viele Unvereinbarkeiten. Mir hat auch schon mal eine Klientin über ihre gescheiterte Ehe gesagt: „Ich wusste vom ersten Moment an, dass das in die Hose geht.“

Haben Sie denn vorher nicht in Ihr Horoskop geguckt? Sie hätten es doch sehen müssen!

Alle Welt denkt: So ein Astrologe, der müsste doch eigentlich ein perfektes Leben führen. Die perfekte Partnerschaft, das perfekte Gewicht, die perfekten Kinder und so weiter. Aber Sie kennen doch auch die Redewendung: Der Schuster trägt die schlechtesten Schuhe. Auch rauchende Ärzte gibt es en masse. Und die müssten es ja doch wirklich wissen. Aber, was soll’s: Nobody is perfect! Bei mir kommt auch noch eine gewisse Lust an der Renitenz hinzu: das Unmögliche gegen Widerstände schaffen. Das schließt auch manchmal mit ein, dass ich bewusst gegen mein Horoskop lebe, also gegen meine Möglichkeiten. Doch in der Regel fliegt’s mir dann früher oder später um die Ohren.

Was kann ein Mensch tun, der unter einem bestimmten Sternzeichen leidet? Beispielsweise habe ich oft von Fische-Menschen gehört, die lebenslang unter dem Sternzeichen ihrer Eltern gelitten haben, etwa, wenn die Mutter Widder war.

So eine energische Widdermutter wünscht man eigentlich keinem zart besaiteten Fischlein. Das ist schon blöd, wie es manchmal läuft. Was man da tun kann? Ich würde sagen: Astrologie lernen! So ist es mir mit meinem Vater gegangen. Erst nachdem ich sein Horoskop zum ersten Mal gesehen habe, konnte ich anfangen zu begreifen, dass es so einen Menschen wirklich gibt. Er war mir ein Rätsel und auch immer ein bisschen unheimlich. Später habe ich sogar meine Liebe zu ihm wieder entdeckt. Alles Dank der Sterne und dem damit verbundenen tieferen Verständnis.

In welchem Zusammenhang stehen die Numerologie und die Astrologie?

Astrologie und Numerologie sind zwei unterschiedliche Disziplinen, wobei die Numerologie hauptsächlich aus der Astrologie abgeleitet wurde. So wird in der Numerologie auch das Geburtsdatum, allerdings zahlentechnisch analysiert. Die Numerologie entspricht somit auch nicht dem mathematisch- naturwissenschaftlichen Zahlenverständnis, bei dem Zahlen rein formale Funktionen haben. In der Numerologie werden Zahlen oder Zahlenkombinationen zu Sinnbildern. Auch viele Religionen verfügen über eine reichhaltige Zahlensymbolik. In der Astrologie wird beispielsweise jedem Tierkreiszeichen eine symbolische Zahl zugeordnet, wie dem Widder die 9, dem Krebs die 7 oder dem Schützen die 3. Alle guten Dinge sind drei. Und die 13 gehört zum Tierkreiszeichen Fische. In Amerika wird, wie ich es selbst gesehen habe, ein 13ter Stock nicht so benannt, sondern 12a. Das ist ein moderner Aberglaube. In einem Gedicht der Kölner Autorin Katrin Wälz heißt es: „Aberglaube bringt Unglück, mein Schätzchen.“

Was verstehen Sie unter „mit dem Kosmos im Einklang zu leben“?

Es geht dabei um Stimmigkeit. Um das Einswerden mit dem Ganzen. Dazu brauche ich die Astrologie nicht unbedingt, aber sie kann gerade im Alltag sehr hilfreich sein, wenn man mal gerade den Faden verloren hat. So blicke ich zum Beispiel jeden Morgen in den Mondkalender, um zu sehen, in welchem Tierkreiszeichen der Mond gerade steht. Das wechselt alle 2-3 Tage. Dann ist es für mich eine Art astrologische Einklangübung die Charakteristik dieses Tierkreiszeichens in die Tagesgestaltung mit einfließen zu lassen. Steht der Mond im Widder geht’s allgemein etwas sportlicher zu und ich versuche keine langatmigen Sachen durch zu ziehen, während ich beim Mond in den Fischen alles etwas gemütlicher angehen lasse: Kommst du heut nicht, kommst du morgen. Zum Friseur gehe ich, wenn es passt, beim Mond im Löwen. Das kräftigt erfahrungsgemäß die Haare. Das alles sind natürlich Übungen, die man spielerisch angehen sollte. Es soll ja kein Zwang werden, sondern im optimalen Fall eine entspannte und tiefere Lebensfreude bereiten. Manchmal mache ich das auch wochenlang nicht. Wenn ich dann mal merke: Huch, heute bin ich aber besonders auseinandersetzungsfreudig und dann in den Mondkalender blicke, wo ich einen Widderstand des Mondes ablese, dann merke ich, wie stark wir doch mit diesen sich rhythmisch wechselnden kosmischen Energien ohnehin verbunden sind. Wir können ihnen also nicht entkommen. Also verbünden wir uns doch besser mit ihnen!

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schneider.