Let’s talk about astrology!

Interview mit dem Astrologen Thomas Otto Schneider

Von Dr. Alexandra Hildebrandt

Viele meiner Leser haben mich nach unseren Corona-Interviews gefragt: Glauben Sie wirklich an Astrologie? Darf ich Sie deshalb zum Thema Astrologie heute etwas allgemeiner befragen? Seit wann gibt es z.B. astrologische Kalender?

Sehr gerne! Let’s talk about astrology! Schon die Sumerer haben nach astronomischen Konstellationen Kalender aufgestellt. Die ältesten Hinweise auf einen Kalender, der die sogenannten Lichter, also Mond und Sonne, gleichermaßen berücksichtigte, sind um die viertausend Jahre alt. Die ersten gedruckten Kalender gehen, wie könnte es anders sein, auf Johannes Gutenberg zurück. Sein „Astronomischer Kalender“ von 1457 diente der Erstellung und Deutung von Planetenkonstellationen und Horoskopen. Der Kalender bestand aus Blättern, die zusammengeklebt werden mussten. Von Gutenberg selbst ist leider kein genaues Geburtsdatum bekannt.

Wie und wann sind Sie auf die Astrologie gekommen?

Ich bin zur Astrologie gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Anfang der 1980er Jahre arbeitete ich als junger Werbetexter in einer Agentur in Düsseldorf. Als ich damals ernsthaft erkrankte, legte mir eine Kollegin einen Astrologen ans Herz, den sie privat kannte und für kompetent hielt. Nach einigem Zögern – schließlich war mir die Astrologie nur als höchst unglaubwürdige Zeitungsastrologie bekannt – entschloss ich mich, den Astrologen zu besuchen. Die Deutung meines Horoskops war sensationell. Nie in meinem Leben hatte ich mich von einem Menschen besser verstanden gefühlt und das, obwohl wir uns niemals zuvor begegnet waren. Die Befolgung der Ratschläge, die sich aus dem Gesagten ergaben, führte schließlich dazu, dass meine Erkrankung nach wenigen Monaten abheilte, und zwar ohne die OP, zu der mir Fachärzte geraten hatten. Als ich den Astrologen daraufhin anrief, um zu fragen, ob seine Erkenntnisse über mich wirklich etwas mit den Sternen zu tun hätten, versicherte er mir dies und riet mir, wenn ich – wie er meinen bohrenden Fragen entnahm – der Sache auf den Grund gehen wolle, es selber zu lernen. So habe ich zum ersten Mal erfahren, dass die Astrologie ein übertragbares Wissen ist. Jeder, der sich dafür interessiert, kann es lernen. Motiviert durch meine Heilungserfahrung, habe ich mich damals spontan an einer privaten Astrologieschule in München angemeldet. Die hatte mir der Astrologe empfohlen. Was dann folgte war ein siebenjähriges Studium. Und diese Zeit war vom ersten Tag an so spannend, dass ich bis heute nicht mehr damit aufgehört habe.

Was können wir von der Astrologie lernen?

Erst einmal kommen Sie sich durch die Astrologie bei der Frage näher: Wer bin ich wirklich? Sie lernen also von der Astrologie etwas über sich selber. Wenn Sie sich in den Erfahrungsbildern der Astrologie wieder erkennen, kann eine unglaubliche tiefe seelisch- geistige Berührung geschehen und damit verbunden eine Aussöhnung mit Ihnen als Person oder sogar mit Ihrem Schicksal. Ihr eigenes Leben wird möglicherweise für Sie leichter annehmbar. Ebenso kann sich das Verständnis für Ihre Mitmenschen enorm verbessern. Wenn sich dann Ihre Erwartungen, die Sie von Ihren Lieben haben, daran neu aussteuern, kann dies viel Leid und auch viele Enttäuschungen verhindern. Sie merken, ich sage immer „kann“, denn lernen „müssen“ müssen wir von der Astrologie gar nichts. Es ist eine völlig freiwillige Angelegenheit. Was die Astrologie uns außerdem geben kann, ist ein Gefühl auf wundersame Art mit dem kosmischen Geschehen um uns herum verbunden zu sein. Das ist Sinn gebend und reicht bis an das Religiöse heran, auch wenn die Astrologie nicht als Religion zu betrachten ist. Ich werde oft gefragt, ob ich an die Sterne glaube. Die Astrologie ist aber keine Glaubenssache, sondern beruht einzig und allein auf Erfahrung. Schauen Sie: Neulich war ich in meinem Copyshop und der Besitzer sah, dass ich ein paar Horoskope kopierte. Er sagte: „Ah, Astrologie!“ Dann erzählte er mir von einem anderen Kunden, der vor ein paar Tagen da war und seinen Personalausweis kopierte. Dabei sah er, dass der Kunde und er am selben Tag und im selben Jahr geboren waren. So kamen sie ins Gespräch und entdeckten einige überraschende Gemeinsamkeiten, wie besondere Hobbies und Charaktereigenschaften. Sie machten also zufällig eine astrologische Erfahrung. So einfach funktioniert das Ganze im Grunde genommen. Astrologie ist kein Hexenwerk.

Was ändert ein Kaiserschnitt an der Aussagekraft der Geburtszeit? Ist das dann Schicksal und auch Teil des persönlichen Horoskops und Lebenswegs?

In der Astrologie geht man als Geburtsmoment vom genauen Zeitpunkt der Abnabelung aus, der Moment also, bei dem es zum ersten eigenständigen Blutkreislauf kommt. Dieser Moment gilt zunächst einmal unabhängig davon, welche Umstände dazu geführt haben, als offizieller Geburtsmoment. Wenn es – wie ich es schon gehört habe – Eltern darauf anlegen, unbedingt einen Schütze-Aszendenten-Nachkommen zu bekommen, dann müssen Sie darauf achten, dass der Kaiserschnitt am Tag der Geburt binnen der zwei Stunden erfolgt, an dem das aufsteigende Zeichen Schütze ist. Das ist möglich und in diesem Fall würden die Eltern natürlich Schicksal spielen – was sie aber ohnehin bereits mit der Zeugung getan haben. Von einem höheren Standpunkt betrachtet, wären die Eltern in einem solchen Fall nichts anders als Erfüllungsgehilfen des Schicksals ihres Kindes. Wenn aber dieser Aszendent partout nicht zum Wesen des zu erwartenden Kind passt, dann passiert irgendetwas Unvorhergesehenes, beispielsweise steht der behandelnde Arzt im Stau und kommt zu spät, oder Gott weiß was. Niemand muss sich Sorgen machen, dass er mit dem falschen Horoskop auf diesem Planeten herum läuft.

Warum lehnen viele Menschen die Beschäftigung mit Astrologie ab?

Weil sie von der Vulgär-Astrologie im Boulevard abgeschreckt wurden. Und weil die Leute Angst haben, möglicherweise etwas Verdrängtes über sich zu erfahren. Viele haben ein Selbstbild, an das sie sich mehr oder weniger klammern. Und einige ahnen, dass damit irgendetwas nicht stimmt. Und wenn dann einer wie ein Astrologe daher kommt und daran möglicherweise rütteln könnte, machen sie mal besser einen großen Bogen um ihn. Die zweite Gruppe der Astrologieablehner sind die Wissenschaftsgläubigen. Wie heißt es doch so schön in dem Gedicht von Christian Morgenstern: „Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Im Jahre 1975 wandten sich 186 Wissenschaftler, darunter 18 Nobelpreisträger, mit einer Anzeige gegen die Astrologie in der amerikanischen Zeitschrift „The Humanist“. Die Veröffentlichung hatte ein überraschendes Nachspiel. Denn BBC-Reporter wollten nach dieser Veröffentlichung einige der Nobelpreisträger zu ihrer Haltung zur Astrologie interviewen. Diese lehnten allerdings jedwede Stellungnahme ab. Begründung: Man hätte sich nie näher damit befasst. Sei’s drum: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Astrologie auch nicht für alle gut ist. Es ist nur einer der Wege, die nach Rom führen, aber ein ganz besonderer.

Wie nähern sich denn Interessierte der Astrologie bzw. wie sollten sie sich ihr nähern?

Selbsterkenntnis steht für viele an erster Stelle. Ich werbe immer dafür, sich der Astrologie erst einmal ohne Vorbehalte zu nähern und die wissenschaftliche Skepsis, die in uns allen mehr oder weniger steckt, einmal für einen Moment beiseite zu lassen. Das ist schon mal ein guter Anfang. In der Schrift „An der Zeitmauer – Gedanken eines Nichtastrologen zur Astrologie“ sagt der Autor Ernst Jünger: „Wenn wir unvoreingenommen das Gebäude der Astrologie betreten, wird uns bald spürbar, daß dort in der Tat ein Wissen obwaltet. Wir fühlen, daß sich unsere Augen schärfen und astrologische Typen wahrnehmen, oder wenigstens Typen, die den astrologischen ähnlich sind. Freilich sind diese Typen nicht messbar wie Figuren der Geometrie. Und darin liegt ihre Qualität.“ Kühn gefragt: Warum sollte die Astrologie eines Tages nicht wieder zu einem ordentlichen Bestandteil der etablierten Kultur werden? Die Macht und der Einfluss der Wissenschaft auf das öffentliche Leben wird irgendwann auch wieder verblassen, auch, wenn man sich das im Moment gar nicht vorstellen kann. Obwohl uns die Corona-Krise im Moment eine Ahnung davon geben kann. Die moderne Wissenschaft ist nicht alternativlos. Und dann wird es irgendwann wieder mehr darum gehen eine elementare Ordnung zu erfahren, wie sie die Astrologie vermittelt. Eine Ordnung, die uns wieder mit unserem stellaren Ursprung verbindet – der Mensch als transzendent begabtes Wesen, entstanden aus Sternenstaub.

Herr Schneider, danke für das Gespräch.