„Auf die WM 2054 freue ich mich jetzt schon!“

Interview mit Thomas Otto Schneider
Von Dr. Alexandra Hildebrandt

Gibt es astrologisch gesehen im Fußball eine ideale Mannschaftsaufstellung?

Man kann sich bei einer möglichst perfekten Mannschaftsaufstellung an den klassischen vier Elementen orientieren: Wasser, Feuer, Erde, Luft. Die 4-Elementelehre entspringt übrigens der vorchristlichen griechischen Philosophie.

Gehört jedes Sternzeichen zu einem dieser Elemente?

Ja, zu jedem Element gehören jeweils drei Sternzeichen: zum Wasser gehören Krebs, Skorpion und Fische, zum Feuer Widder, Löwe und Schütze, zur Erde Stier, Jungfrau und Steinbock. Zur Luft gehören: Zwilling, Waage und Wassermann. Es geht bei der Zusammenstellung eines Teams also primär darum, eine Ausgewogenheit der Elemente herzustellen. Es geht um das Ganze.

Wenn Sie sich auf einen Torhüter festlegen müssten: Welches Sternzeichen würden Sie bevorzugen?

Ich würde einen Fische-Torhüter bevorzugen. Toni Schumacher, Sepp Maier, Andy Köpke waren alles Fische. Aber der Traineralltag sieht anders aus. Du kommst zu einer Mannschaft und da hast du als Torhüter vielleicht zwei Widder und eine Waage im Team. Da musst du also von gegebenen Bedingungen ausgehen.

Und was machen Sie dann?

Bei der nächste Transferperiode würde ich mich nach einem Fische-Torhüter umsehen, zumindest nach einem Wasserzeichen.

Ist auch jeder Mannschaftsteil einem Element zugeordnet?

Schwerpunktmäßig ja. Das Tor ist dem Element Wasser zugeordnet, die Abwehr der Erde, das Mittelfeld ist Luft und der Sturm ist Feuer. Die Idealzusammenstellung wäre also: Fische im Tor, Stier, Jungfrau und Steinbock in der Abwehr, Zwilling, Waage und Wassermann im Mittelfeld und Widder, Löwe und Schütze im Sturm. Allein mit der Anwendung dieses Wissens kannst du eine Mannschaft schon um ein paar Prozentpunkte besser machen.

Das wären dann zehn Spieler. Fehlt noch einer!

Das ist ja erstmal nur eine grobe Orientierung. Aber im Zweifelsfall würde ich mir als Trainer bei meinem fiktiven „ASTRO F.C.“ noch eine weitere Jungfrau gönnen. Das sind perfekte Allrounder und universell einsetzbar. Thomas Müller ist so einer. Den kannst du im Sturm überall einsetzen. Der passt sich der jeweiligen Situation an und zäumt von da aus sein Spiel auf.

Thomas Müller: Jungfraugeborene sind perfekte Allrounder

 

Woher haben Sie eigentlich dieses ganze astrologische Fußbalwissen?

Zunächst einmal habe ich fünfunddreißig Jahre Astrologie hinter mir und als ehemaliger Jugendspieler des 1. FC Köln die entsprechende praktische Erfahrung. Außerdem habe ich alle großen Siegerteams der Fußballgeschichte analysiert und so kommt man zu entsprechenden Erkenntnissen. Das Schöne ist ja, dass die Geburtsdaten von nahezu allen Spielern, die jemals offiziell gespielt haben, öffentlich bekannt sind.

Stellen Sie Ihre Erfahrungen auch Profis zur Verfügung?

Ja, sofern sie für die Sterne offen sind, Spielern, Trainern, Funktionären und Verbänden. Aber das geschieht in der Regel under cover. Ein Nationaltrainer muss sich nicht unbedingt vor der Weltpresse rechtfertigen müssen, warum er an die Astrologie glaubt. Dem Fan kann’s recht sein. Wenn seine Mannschaft mit Hilfe von Sternwissen Pokalsieger wird, nimmt er die sogenannte Unwissenschaftlichkeit der Astrologie gerne in Kauf. Wer Erfolg hat, hat im Fußball alles richtig gemacht. Apropos Unwissenschaftlichkeit: Carl Friedrich von Weizsäcker, der weltweit anerkannte Physiker und Bruder unseres früheren Bundespräsidenten, interessierte sich für die Astrologie und kam zu dem Schluss: „Ich weiß nur dass die Astrologie funktioniert. Aber ich weiß nicht, warum.“ Also, bitte! Nur, dass sich die meisten von Weizsäckers Wissenschaftskollegen erst gar nicht ernsthaft mit der Astrologie auseinandersetzen und sich hinter einer engstirnigen und ablehnenden Denkhaltung verschanzen. Und dann auch noch meinen, die Astrologie aggressiv diskreditieren zu müssen. Eine manische Anmaßung ist das! Ignorante Dummköpfe! Die können einem leidtun und astrophob sind sie obendrein.

Astrophobie? Gibt es dieses Wort überhaupt?

Haha, ja, das gibt’s. Das ist die Angst vor dem Einfluss der Sterne. Und dabei behauptet die moderne Astrologie gar nicht, dass Saturn, Neptun oder Pluto uns Menschen beeinflussen und wir wie Marionetten an en Fäden der Planeten hängen. Es gilt das Prinzip der Synchronizität, das wiederum mit dem großen Thema Zeitqualität verknüpft ist.

Hat sich im Fußball denn noch nie jemand jemals geoutet oder irgendetwas durchblicken lassen – so eine Art „Hitzlsperger der Astrologie“?

Doch! Raymond Domenech, der ehemalige französische Nationaltrainer, hat bei seiner Vorstellung einer verblüfften Öffentlichkeit gegenüber verkündet: „Mein Name ist Raymond Domench. Ich trainiere ab sofort unsere Nationalmannschaft und bin Wassermann und Aszendent Jungfrau.“ Immerhin ist er 2006 in Deutschland Vizeweltmeister geworden. Er hat auch mal gesagt: „Wenn ein Löwe in meiner Abwehr spielt, halte ich bei jeder seiner Ballberührungen die Luft an.“ Das würde ich übrigens auch. Domenech, ein guter Mann! Es gibt eine ganze Reihe von astrologieinteressierten Fußballspielern. Als ich vor vielen Jahren einmal den ehemaligen Nationalspieler und Mannschaftskapitän des 1. FC Köln Heinz Flohe in seinem Haus in Euskirchen besuchte habe, war die Außenwand an der Eingangstür seines Bungalows mit Sternzeichenkacheln gepflastert. Wer hätte das gedacht?

Astrologie-Interesse meist under cover: Sternzeichenkacheln am Haus des ehemaligen Fußballnationalspielers Heinz Flohe.

 

Wie sieht denn in der Praxis so ein astrologisches Fußball-Coaching aus?

Das sind manchmal auch nur kleine Entscheidungshilfen: Ein junger Spieler will von einem Bundesligisten ins Ausland wechseln. Soll er zu einem oder zum anderen wechseln? In solchen Fällen berate ich zum Beispiel.

Und wie machen Sie das?

Ich vergleiche das Spielerhoroskop mit dem Vereinshoroskop, wie bei einem astrologischen Partnervergleich. Und da wo es am meisten „matcht“, das empfehle ich dann. Das Zauberwort heißt hier „gegensätzliche Ergänzung“. Das funktioniert am besten und verspricht eine spannende und lange währende Verbindung. Wie bei einer guten Ehe.

Sie haben sich vor der WM 2018 in einem Interview auf dem Online-Portal „Huffington Post“ über die Zukunft des Fußballs aus astrologischer Sicht geäußert. Mögen Sie hier auch mal die Kassandra spielen und uns an deiner Vision für den Weltfußball teilhaben lassen?

Astrologisch gesehen entwickelt sich der Weltfußball in 49- Jahres-Schritten, ausgehend von der Konstituierung des ersten Fußballklubs der Welt, dem Sheffield F.C. im Jahre 1857. Das ist sozusagen der Geburts- und Schlüsselmoment des Fußballs, wie wir ihn heute kennen. Daraus ergeben sich nach jeweils 49 Jahren, dann fußballhistorische Wendepunkte wie 1906,1955, 2004 und 2053. In jeder dieser Phasen ging und geht es um ganz bestimmte Entwicklungen im Fußball. In der Phase von 2004 bis 2053 befinden wir uns gerade. Dabei fällt auf, dass 2004 gleich mit einem Paukenschlag begann und zwar mit dem Gewinn der Europameisterschaft durch Griechenland, einem krassen Außenseiter. Das konnte König Otto (Otto Rehagel, Anm. d. Red.) auch nur deshalb gelingen, weil er offenbar mit seinem besonderen Stil, Fußball spielen zu lassen, genau den Geist der neuen Zeit getroffen hat. Im Prinzip hat Griechenland den Fußball vorweggenommen, der auch noch heute gespielt wird.

Was konnte der Weltfußball von Griechenland lernen und was genau ist denn dieser Stil der modernen Zeit?

An den Griechen konnten vor allem die etwas schwächeren Mannschaften – also die meisten – lernen, wie weit man es durch Disziplin und Destruktion, das heißt durch geschickte Unterbindung der Spielentfaltung des Gegners bringen kann.

Aber doch mit gelegentlichen Vorstößen nach vorne, oder?

Rehagel nannte das „kontrollierte Offensive“. Genauer müsste man sagen: „Diszipliniert-ökonomische Offensive“. Darin drückt sich astrologisch wunderschön die Spannung von Rehagels „Lichtern“ im Horoskop aus: Mond im Steinbock und Sonne im Löwen. Aber das ist jetzt schon fachchinesisch. Der Stil der Jetztzeit ist „die Perfektion der Technik“, das perfekte Funktionieren der einzelnen Mannschaftsteile, die dann wie Zahnräder ineinandergreifen und den Erfolg bescheren. Es geht um die Kontrolle des Raums. Spieler müssen heute Positionen, sprich: Funktionen, bekleiden, die das System des Trainerstabs vorgibt. Sie müssen „liefern“. Aus „der Mannschaft“ wurde unmerklich „das Kollektiv“, mit dem damit verbundenen Verlust an Spielerindividualität früherer Tage. Die wird von den älteren Generationen Fußballliebhaber der schmerzlich vermisst.

Und Messi?

Messi ist überragend. Der schafft es mit seinem Zwillings- Aszendent im Mannschaftsverbund zu funktionieren und dennoch seine sternzeichentypische Individualität (Krebs, Anm. d. Red.) zur Geltung zu bringen. Und das jetzt schon über zehn Jahre lang und auf Weltniveau. Es lohnt sich also, trotz dem Zwang zur Kollektivierung, weiterhin an seiner Individualität zu feilen. Kick it like Messi!

Was kommt nach Messi? Bis zum nächsten Wendejahr 2053 ist es noch was hin.

Bis dahin wird sich das gerade Beschriebene noch weiter entwickeln – zur Perfektion hin. Ein Ende dieser Philosophie wird erst Anfang bis Mitte der kommenden 50er-Jahre erreicht werden. Danach wird es meiner Ansicht zu einer Art Renaissance der „geschmeidig-athletischen Ästhetik“ á la Pelé kommen; zu einer Rückkehr des Fußballzaubers: Pelé 5.0. Bis 2053 hat sich das technische Niveau und das strategische Verständnis allerlanden derart hochgejazzt, dass es keinen Unterschied mehr macht, und dann müssen wieder andere Formen her, die den Fußball weiterbringen. Dann könnte auch endlich mal ein afrikanisches Land Weltmeister werden. Vorausgesetzt, einer wie Otto Rehhagel sorgt z. B. bei den „Löwen von Teranga“ (Senegal, Anm. der Red.) für die nötige Disziplin und eine straffe Struktur in Mannschaft und Verband. Ohne Disziplin und strategischen Verhalten geht ohnehin nix auf höchster Ebene – heute wie morgen. Die Schönheit und Ästhetik des Spiels wird jedenfalls durch die Protagonisten der Zukunft wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Die fast überirdische Eleganz von Zinédine Zidane war zukunftsweisend. Er kam als Spieler sozusagen geradewegs aus der Zukunft. Der sieht auch schon aus wie der Käptn eines futuristischen Raumschiffs. Jedenfalls wird diese Generation erst in den nächsten Jahren geboren werden. Ab 2023 wandert der Pluto für zwanzig Jahre in den Wassermann und die Generation von Fußballern, die in dieser Zeit geboren wird, kann sich nicht mehr ohne weiteres in starre Systeme einfügen, wie das im Moment noch gegeben ist. Das gilt übrigens auch gesamtgesellschaftlich.

Na, das sind doch schöne Aussichten!

Da freue ich mich schon jetzt darauf. Ich hoffe, ich erlebe das noch. Ich wäre dann über Neunzig, aber dann könnte ich bei der WM 2054 – die meiner Prognose nach in Deutschland stattfindet – meinen Fußballfrieden machen.

Danke für das Gespräch, Herr Schneider.

Dieses Interview erscheint auch als Nachwort in dem Buch „11 Freunde und 12 Sternzeichen“ von Thomas Otto Schneider, das am 19. Juni 2020 bei Strezelecki Books veröffentlicht wird. Vorbestellungen sind auf dieser Website oder auf der Website des Verlags möglich: www.strzelecki-books.com

Illustration Thomas Müller: https://kane.de/portfolio/portraits