Interview

Astrologie als Gottesbeweis

Der Papst im Gespräch mit den Astronauten der ISS: Hinter ihm die künstlerische Darstellung eines Horoskops.

Interview mit dem Astrologen Thomas Otto Schneider

Von Dr. Alexandra Hildebrandt

Haben Sie eigenlich astrologische Einflüsse in Ihrem Elternhaus erfahren?

Meine Eltern waren Kaufleute. Mein Vater war Archivar bei einer Privatbank. Als ich ihm mal nach ein paar Jahren Astrologie erzählte, was ich da gerade lerne, sagte er nur: „Na ja, solange das Hobby bleibt!“. Er glaubte nicht daran, dass man mit „sowas“ Geld verdienen kann. Das war ihm das Wesentliche. Meiner Mutter habe ich irgendwann mal ihr Horoskop gedeutet und das war ein besonders schönes Erlebnis. Mir ist mal aufgefallen, dass die für mich in meiner Kindheit und Jugend wichtigen Personen in der Familie alle eine starke Zwillingsbetonung hatten. Ich habe da wohl eine Affinität.

Ihr Horoskop weist Ähnlichkeiten mit dem von Kafka auf. Von ihm ist der Brief an den Vater bekannt. Gab es da auch ein ähnliches Verhältnis von Ihnen zu Ihrem Vater?

Kafkas Brief ist die grundsätzliche Abrechnung mit einem übermächtigen Vater, obwohl er ja den Brief nie abgeschickt hat. Hinter vielem was da drin steht, kann ich einen Haken machen, auch, wenn sich die Einzelheiten, schon historisch und individuell bedingt, bei mir anders darstellen. Aber der Meinungsterror, der vom Vater in der Jugend ausging, war ähnlich stark. Mein Vater sagte oft: „Komm erst mal in mein Alter, dann wirst du das genau so sehen wie ich.“ Fakt ist: Jetzt bin ich längst in diesem Alter und sehe das meiste anders. Aus den wesentlichen Faktoren, die ich astrologisch mit dem Horoskop von Kafka teile, ergibt sich zwingend eine Vaterproblematik und damit einhergehend eine Sensibilität für die Fragwürdigkeiten von Obrigkeiten.

Sie sind als Enkel eines entsprungenen Benediktinermönchs bekennender Katholik. Wie geht das zusammen? Was sagt denn ihr Chef, Papst Franziskus, zu Ihrem Treiben?

Bei allem Respekt vor dem Heiligen Vater, aber in Sachen Astrologie ist Franziskus vollkommen rückständig. Der Papst hat keine Ahnung von Astrologie. Sein Bild von der Sterndeutung ist noch mittelalterlich. Er wirft auch alle esoterischen Disziplinen unter dem Sammelbegriff Wahrsagerei in einen Topf. Seine Haltung ist gewissermaßen so, als würden wir in den heutigen Priestern noch immer die Inquisitoren von damals sehen und verurteilen. Das wäre genauso unfair. Franziskus hat wirklich nicht die leiseste Ahnung, was es mit der modernen Astrologie auf sich hat. Das kränkt mich und ist auch gegen das 8. Gebot Gottes: Du sollst kein falsches Zeugnis geben über deinen Nächsten. Franziskus’ ignorante und definitiv falsche Zeugnisse, die er gelegentlich direkt oder indirekt von der Astrologie gibt, haben mich dann auf die Idee gebracht eine Initiative zur Rehabilitierung der Astrologie in der katholischen Kirche zu starten. Eigentlich längst überfällig. Doch ein mir vertrauter Kirchenmann und Freund der spirituellen Astrologie, dem ich von meinem Vorhaben berichtet habe, hat mich doch sehr entmutigt dies zu tun. Er sagte: „Wenn der Vatikan eine Demokratie wäre, würde ich dir dazu raten. Aber so leider nicht.“ Das war ein überzeugendes Argument und so habe ich es bis heute gelassen.

Als Franziskus 2017 per Videoschalte mit den Astronauten der Internationalen Raumstation ISS telefonierte, hing hinter ihm ein riesiger Wandteppich, der ein Horoskop zeigte, das links und rechts von Engeln angekurbelt wird. Wie kann das sein?

Und in der Mitte des Horoskops war auch noch ein sich umarmendes Liebespaar abgebildet. Ich kann mir nur vorstellen, dass dieser Teppich von einem Astroschelm im Vatikan aufgehängt wurde, ohne dass der Papst wirklich wusste, was da hinter ihm hängt. Ansonsten müsste man das ja fast als astrologisches Outing verstehen und das kann ja nicht so gemeint gewesen sein. Ich sag’s mal so: Astrologe und Christ zu sein ist schon kein leichtes Los in diesen Zeiten.

Was verbindet eigentlich Glaube und Astrologie?

In der Neuzeit handelt es sich bei der Astrologie nicht um einen Glauben oder eine Religion. Aber das war nicht immer so. In ihren ältesten Zeugnissen begegnen uns astrologische Vorstellungen eingebunden in astralreligiöse Zusammenhänge. Die Gestirne werden als Sitz von göttlichen Wesenheiten aufgefasst. Ursprünglich wurde Astrologie betrieben, um den Willen der Götter zu erforschen. Insofern war die Astrologie anfangs eine Priesterwissenschaft.

Warum wird die Astrologie im kirchlichen Kontext meist übergangen?

Weil sich die Kirche ihrer gemeinsamen astralreligiösen Ursprünge mit der Astrologie schämt und weil sie Machtverlust fürchtet. Wissen Sie beispielsweise, was das größte Kunstwerk im Kölner Dom darstellt? Einen astrologischen Tierkreis! Inklusive der vier Mondphasen und der Sonne mittendrin. Doch die Kölner Domherren hatten nichts besseres zu tun, als diesen wunderschönen Tierkreis, in Form eines 1350 Quadratmeter umfassenden Bodenmosaiks, das übrigens an zentraler Stelle in der Domvierung liegt, 1956 mit einem Altarpodest zu überbauen, von dem aus nun gepredigt wird. Das ist ein kultureller Skandal, aber es scheint niemanden zu interessieren. Das ist nicht nur in der Kölner Kathedrale so. Auch anderswo versucht man in den Kirchen die Nähe zur Astrologie so gut es geht zu vertuschen. Dabei spielte zum Beispiel das Fische-Symbol bereits bei den Urchristen eine herausragende Rolle. Aber mit Astrologie? Nein! Damit hat das nichts zu tun! Zwölf Apostel, zwölf Tierkreiszeichen? Nein! Das ist reiner Zufall! Und so weiter und so fort. Die Bezüge sind wirklich zahlreich, aber die Haltung der Kirchenlehrer ist überwiegend verbohrt. Ich denke mir da immer: Der Himmel wird’s schon richten!

Was bedeutet für Sie persönlich der Glaube im Zusammenhang mit der Astrologie?

Die Astrologie ist für mich ein Gottesbeweis. Und jedem, der mit seinem Glauben hadert, kann ich nur raten: Beschäftige dich mit der Astrologie! Dann klappt’s auch wieder mit deinem Gott! Insofern versäumt es die Kirche ihren Anhängern mit der weitestgehenden Ausgrenzung der Astrologie einen vielversprechenden Zugang zur göttlichen Erfahrung zu ermöglichen. Allgemein denke ich, dass uns in der Moderne die Fähigkeit zum Staunen zu einem großen Teil verloren gegangen ist. Nehmen wir die Sonne! Wenn wir am Strand von Mallorca in der Hitze schmoren, denken wir eher an den Sonnenschutzfaktor unserer Hautcreme, als an die Tatsache, dass da draußen im Weltall, knapp hundertfünfzig Millionen Kilometer von uns entfernt ein Feuerball lodert, der mit seiner Gravitation unser ganzes Sonnensystem regelt und dem wir unsere Existenz zu verdanken haben. Vor diesem Hintergrund erhält der Begriff Sonnenanbeter möglicherweise eine neue Tiefe. Vielleicht sind das ja Menschen, die am Strand unbewusst das Göttliche in der Sonne anhimmeln. Wissen wir’s? Wissenschaftler kommen bei ihrer Weltdeutung immer in Verlegenheit, wenn es um eine plausible Antwort auf die Frage geht: Was war eigentlich vor dem Urknall? Wissenschaftler faseln da gern von der „Inflationsenergie“. Mir reichen diese scheinbar logischen Welterklärungen nicht aus. Gott sei Dank hat mich die Erfahrung mit der Astrologie eines Besseren belehrt.

Wie alt sind die Menschen, die Sie aufsuchen? Lässt sich ein Generationenschwerpunkt festmachen? Sind auch junge Menschen vertreten?

Meine jüngste Klientin ist acht Jahre alt. Sie wollte erst mal nur mal wissen, welchen Aszendenten sie hat und dann ergaben sich Fragen. Wenn ich ihr was zu ihrem Horoskop sage, ist die Mutter, eine Filmemacherin, natürlich dabei. Der Neugier und der Erkenntnisfreude sind also keine Grenzen gesetzt. Ich bemerke allgemein, dass meine Klientel sich langsam verjüngt und mittlerweile tauchen immer mehr Millennials in meiner Praxis auf. Das ist gut so und bei einigen spüre ich ein tiefes Bedürfnis sich vom digitalen Irrsinn einmal zu verabschieden. So ein „Facebook Sabbatical“ kann ich trotz Corona nur jedem empfehlen, der seit frühester Jugend in den sozialen Netzwerken unterwegs ist. Es muss ja nicht gleich ein ganzes Jahr sein. Ein Monat bewirkt da auch schon mal Wunder. Es gibt ein Leben nach Facebook und viele spüren ein Unbehagen, dass das mit den permanenten digitalen Sozialkontakten nicht alles sein kann.

Und wie steht es mit den Älteren?

Mit einer Endsiebzigerin hatte ich im vorletzten Jahr etwas sehr trauriges erlebt. Sie rief an und sagte mit zittriger Stimme: „Ich war mal vor über zwanzig Jahren bei Ihnen. Leider habe ich ihre Ratschläge nicht beherzigt. Jetzt habe ich Krebs und muss bald sterben.“ Mit solchen Situationen wird man konfrontiert, wenn man Astrologie betreibt. Die Dame ist tatsächlich mittlerweile verstorben. Ob ihr Tod tatsächlich etwas mit diesem Grund zu tun hat, bleibt dahin gestellt. Aber gefühlt war es für sie in diesem Moment so. Es ist halt so in der astrologischen Praxis: Alles ist freiwillig. Und was und wie viel der Klient oder die Klientin nach einer Beratung mit in den Horizont seines Lebens nimmt, bleibt ihr selber überlassen. Ich telefoniere da nicht hinterher und kontrolliere. Zum Glück kann ich sagen: Die positiven Beispiele überwiegen bei weitem, sonst hätte ich den Astrologenhut schon längst an den Nagel gehängt.

Herr Schneider, vielen Dank für das Gespräch.

Foto: L’Osservatore Romano